Grüne Wiese mit Klee im Vordergrund, ein kleiner Traktor und Bäume im Hintergrund

Planetare Grenzen

Planetare Grenzen und Ernährungs­sicherheit

Einleitung: Sicherheit als Grundbedürfnis

Sicherheit ist ein elementares Grundbedürfnis jedes Menschen. Doch wie sichern wir unsere grundlegenden Lebensbedingungen in einer Welt, die immer stärker unter Druck gerät? Das Konzept der „Planetaren Grenzen“, entwickelt von 29 internationalen Wissenschaftler:innen, weist den „sicheren Handlungsraum für die Menschheit“ aus (Rockström et el. 2009). Er liegt innerhalb von neun wissenschaftlich definierten Belastbarkeitsgrenzen. Überschreiten wir sie, befinden wir uns außerhalb des sicheren Handlungsraums. Wir riskieren damit irreversible Schäden an Ökosystemen, die katastrophale Folgen für unsere sozialen und ökonomischen Systeme haben können (Caesar et al. 2024). Von den neun Belastbarkeitsgrenzen sind folgende sechs überschritten (Caesar et al. 2024):

  1. Übernutzung von Süßwasser
  2. Änderung der Stoffkreisläufe (Stickstoff + Phosphor)
  3. Veränderung des Klimas
  4. Verlust der Biodiversität
  5. Freisetzung neuer Substanzen 
  6. Landsystemänderung

Diese Überschreitungen destabilisieren nicht nur das Erdsystem, sondern verschärfen auch die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit weltweit (Xu et al. 2020). Besonders betroffen ist unsere Ernährungssicherheit, da viele dieser Umweltveränderungen den landwirtschaftlichen Anbau von Lebensmitteln bedrohen.

Landwirtschaft: Treiber und Opfer zugleich

Die Landwirtschaft steht im Mittelpunkt der planetaren Krise. Alle sechs planetaren Grenzen, die überschritten sind, stehen in engem Zusammenhang mit der Landwirtschaft. Einerseits ist die Landwirtschaft maßgeblich für die Überschreitung der planetaren Grenzen verantwortlich, andererseits leidet sie stark unter deren Folgen. Die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben, hat direkte Auswirkungen u. a. auf das Klima, die Biodiversität und die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen.

Herausforderungen der Landwirtschaft

  1. Klimawandel und Extremwetter:
    Ernteausfälle und Ertragsschwankungen durch Dürren, Starkregen und steigende Temperaturen gefährden eine ausreichende Lebensmittelverfügbarkeit.
  2. Verlust der Biodiversität:
    Der Rückgang und das Aussterben von Bestäubern, natürlichen Schädlingsbekämpfern und Bodenorganismen destabilisieren Agrarsysteme.
  3. Übernutzung von Süßwasser:
    Die Absenkung von Grundwasserspiegeln durch übermäßige Bewässerung führt zu Wasserknappheit, insbesondere in landwirtschaftlichen Hochproduktionsregionen.
  4. Störung der Nährstoffkreisläufe:
    Überdüngung mit Stickstoff und Phosphor verursacht Eutrophierung und Bodenverarmung, was die Erträge langfristig senkt.
  5. Chemikalieneinsatz:
    Pestizide und andere synthetische Stoffe schädigen Böden, Gewässer und die Qualität unserer Lebensmittel.
  6. Bodenversiegelung:
    Fruchtbare Böden gehen durch Bauprojekte und Infrastrukturausbau unwiederbringlich verloren.

Konsequenzen

Diese Faktoren führen zu einer sinkenden landwirtschaftlichen Produktivität, steigenden Lebensmittelpreisen und einer wachsenden Gefahr für die globale Ernährungssicherheit. Menschen im Globalen Süden und einkommensschwache Haushalte sind dabei besonders betroffen.

Die Dringlichkeit des Handelns

Die Auswirkungen der Überschreitung planetarer Grenzen sind bereits spürbar:

  • Ernährungsunsicherheit:
    Die Menge und Qualität der verfügbaren Lebensmittel nimmt ab, während die Preise steigen.
  • Gesundheit:
    Belastete Böden und Gewässer wirken sich negativ auf die Gesundheit aus.
  • Gesellschaft:
    Soziale Spannungen und Ungleichheiten nehmen zu.

Um die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen zu schützen, braucht es eine sofortige, sozial gerechte Transformation der Landwirtschaft. Dies erfordert ein Umdenken auf globaler, nationaler und lokaler Ebene.

Lösungsansätze: Eine zukunftsfähige Landwirtschaft gestalten

1. Landwirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen

Eine zukunftsfähige Landwirtschaft muss ressourcenschonend und regenerierend arbeiten, gesunde Lebensmittel für alle bereitstellen und fair gegenüber Landwirt:innen und zukünftigen Generationen sein. Dies umfasst:

  • Regenerative Landwirtschaft:
    Förderung von Bodenfruchtbarkeit durch natürliche Methoden.
  • Agrarökologie:
    Integration ökologischer Prinzipien in die Landwirtschaft.
  • Förderung der Biodiversität:
    Schaffung strukturreicher Agrarlandschaften mit Hecken, Blühstreifen und vielfältigen Fruchtfolgen.

2. Soziale und wirtschaftliche Transformation

Die Landwirtschaft ist eingebettet in ein komplexes globales Wirtschaftssystem, das von Machtungleichgewichten geprägt ist. Große Konzerne dominieren Märkte, während Kleinbäuer:innen unter Preisdruck und ungerechten Handelsbedingungen leiden. Die soziale Dimension wird dabei häufig vernachlässigt. Notwendige Schritte:

  • Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP):
    Fördermittel sollten nach Konzepten, die nachhaltige Wirtschaftsweisen und soziale Verantwortung fördern, vergeben werden, anstatt Großbetriebe und Flächenbesitz zu bevorzugen.
  • Entschuldung der landwirtschaftlichen Betriebe:
    Ein gezieltes Entschuldungsprogramm für landwirtschaftliche Betriebe würde den Druck auf kleinere und mittlere Betriebe verringern und ihre Existenz sichern.
  • Garantie einer Ernährungssicherheit für alle:
    Eine sozial gerechte Agrarpolitik muss gewährleisten, dass jede:r Zugang zu gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln hat.
  • Stärkung lokaler Märkte:
    Direktvermarktung und alternative Modelle wie Solidarische Landwirtschaft erhöhen die Resilienz und fördern die Wertschätzung für regionale Produkte.
  • Ernährungssouveränität:
    Länder, Regionen und Gemeinschaften müssen selbst über ihre gesunde, regional passende und nachhaltige Weise der Ernährung und des Lebensmittelanbaus bestimmen. Sie verringern damit Abhängigkeiten von globalen Konzernen.

Die Transformation muss die soziale Gerechtigkeit stärker in den Fokus rücken, um ländliche Räume zu stärken und soziale Ungleichheiten zu überwinden.

3. Schutz natürlicher Ressourcen

  • Wasser:
    Vorrang für die öffentliche Trinkwasserversorgung, Reduktion des landwirtschaftlichen Wasserverbrauchs, z.B. durch die Förderung wassersparender Methoden und Technologien.
  • Böden:
    Schutz vor Versiegelung, Förderung regenerativer Bewirtschaftung, Reduktion des Düngemitteleinsatzes und Renaturierung von Mooren.

4. Bildung und Aufklärung 

Eine nachhaltige Landwirtschaft erfordert ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft. Bildungsprogramme müssen gezielt verschiedene Gruppen ansprechen:

  • Staatlich geförderte Weiterbildung für Landwirt:innen:
    Landwirt:innen sollten Zugang zu Fortbildungen erhalten, die Wissen über nachhaltige Anbaumethoden, Bodenfruchtbarkeit, Klimaanpassung und wirtschaftliche Resilienz vermitteln.
  • Ernährungsbildung in Schulen:
    Kinder und Jugendliche sollten frühzeitig ein Verständnis für den Zusammenhang zwischen Ernährung, Umwelt und Gesundheit entwickeln. Dies könnte durch verpflichtende Unterrichtseinheiten in Schulen geschehen, kombiniert mit praktischen Projekten wie Schulgärten.
  • Aufklärung für Verbraucher:innen:
    Öffentlichkeitskampagnen sollten Verbraucher:innen über nachhaltige Ernährung, die Herkunft von Lebensmitteln und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit informieren.

Bildung muss also sowohl die Produzierenden als auch die Konsumierenden erreichen, um einen langfristigen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährungskultur zu fördern.

Fazit: Jetzt handeln – bevor es zu spät ist

Die planetaren Grenzen sind keine theoretische Warnung, sondern eine konkrete Realität. Unser gegenwärtiges Ernährungs- und Agrarsystem trägt maßgeblich zur Überschreitung dieser Grenzen bei und gefährdet die Grundlagen unserer Ernährungssicherheit. Die Bewältigung dieser Herausforderung ist keineswegs einfach – sie erfordert tiefgreifende Veränderungen in der landwirtschaftlichen Praxis und der politischen Rahmensetzung.

Ein Wandel ist jedoch möglich, wenn neue Ideen und Konzepte unterstützt werden. Dafür braucht es finanzielle Förderungen und politische Maßnahmen, die es Landwirt:innen ermöglichen, innovative Ansätze in der Praxis umzusetzen. Eine Landwirtschaft, die ökologische, soziale und ökonomische Prinzipien vereint, kann sowohl die Umwelt schützen als auch die Ernährung für alle sichern. Es bedarf einer systemischen Transformation, die Wissenschaft, Praxis und Politik vereint, um diese ambitionierten Ziele zu erreichen.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Je länger wir zögern, desto größer wird der Schaden – und desto weniger Spielraum bleibt uns, die Katastrophe abzumildern.